Sonntag, 23. Oktober 2011

Enter The Error

Die Kausalität des progressiven Gesellschaftsdefekts und der Degeneration unserer Entscheidungsfähigkeit und dessen Argumentation ist widernatürlich und grotesk. Die Menschheit befindet sich bereits im dritten Weltkrieg, doch niemand kann es durchschauen. Wir sehen nur das, was wir sehen sollen, wir hören nur das, was uns erzählt wird. Während ich im städtischen Park das wundervolle Frühlingswetter genieße, in aller Ruhe meinen Kaffee trinke und meinen Hund das Stöckchen jagen lasse, den Liebespaaren beim Küssen zusehe und den Junkies unter den Bäumen meine Blicke schenke, schlachten sich meine Mitmenschen mit einer bewundernswerten Euphorie gegenseitig ab. Der polemische Euphemismus des herrschenden Tötens grassiert auf der wüsten Welt und ich sitze stillschweigend dort und bin von dem weltweiten Chaos vollkommen fasziniert. Der abartige Gestank der schwangeren Kinderleichen, die den blutigen Aspahlt pflastern, zieht durch die Atemwege und macht ein freies Durchatmen unmöglich. Seit Jahren prasselt der blutrote Regen auf uns herab und bildet einen Schleier, der uns wie Vogelscheiße auf den Augen die Sicht auf Vernunft und unseren eigenen Verstand verwehrt. Jeden Tag zählt das Universum weitere Opfer des Weltschicksals und vor Gericht, an dem Ort, wo zwischen Mord und Totschlag unfair differenziert wird, statuieren die Richter und Anwälte ein Exempel von Dummheit und Ungerechtigkeit. Aus den Zeiten des Mittelalters haben wir nichts gelernt. Der Hass, die Folter und die Misanthropie sind etabliert. Gelernt, das alles durch Verstand und Gerechtigkeit zu ersetzen, haben wir nicht.
Das Kind ohne Beine mit dem verstümmelten Arm macht seinen ersten literarischen Schritt und auf dem dreckigen Blatt Papier entsehen die Worte Fick Dich Gott, während seine Umgebung im bluttriefenden Sand der Wüste versinkt. Die Hoffnung ist gestorben, die betenden Worte erfüllen schon lange nicht mehr ihren Sinn, die Zahl der Bevölkerung wird penetrant auf ein Minimum reduziert.
Und noch immer sitze ich dort auf meiner Holzbank im städtischen Park, starre kontinuierlich stumpfsinnig gegen eine riesen Tanne, deren Zweige sich im Wind hin und her bewegen, und bekomme vom ultimativen Disaster, das sich laut aber langsam entwickelt, nichts mit. Mein Hund klemmt das Stöckchen zwischen sein Gebiss und rennt schwanzwedelnd zu mir zurück. Dann legt er es vor meine Füße und setzt sich hin, erwartungsvoll, dass ich das Stöckchen wieder wegwerfe, doch ich tue es nicht. Nur noch ein letzter Schluck Kaffee befindet sich im Becher, ich trinke ihn aus. Plötzlich herrscht eine unangenehme Stille. Ich beende das stumpsinnige Anstarren des Baums und suche nach den Liebespaaren, die eben noch auf der grünen Wiese standen und sich liebevoll küssten. Wo sind die versifften Junkies, die sich gerade eben den nächsten Schuss setzen wollten? Und plötzlich zerbricht auch das wunderschöne Wetter, das vom Himmel ausging, und die Wolken fügen sich zu einem gewaltigen Graubild zusammen, das sich schon bald zu entleeren scheint. Die Dissolution des Erdreichs beginnt abrupt und ist erschreckend. Die Sekundanz, die mich wie ein Käfig vor dem Verfall der Welt schützte, beginnt langsam zu bröckeln und nun sehe auch ich, dass es nie einen schönen Park gegeben hat. Sie schützte meinen Körper vor all den Schmerzen und dem Leid, doch jetzt ist es auch für mich zu Ende. Der trockene Boden teilt sich in viele einzelne Erbrocken, als sich die großen Spalten wie Blitze durch den Grund ziehen. Es beginnt mit einem ohrenbetäubenden Krachen, mit dem die dicken, blutigen Regentropfen vom Himmel schießen und sich wie gierige Tiere auf den Asphalt, das Gras und die Steine dieser Straßen stürzen, als schien es ihre letzte Mahlzeit zu sein. Die unzähligen Leichen tun sich aus den Abgründen hervor und treiben in den heftigen Mahlströmen des Blutes, das die Welt durchspült. Mein Hund wird von den Fluten mitgerissen und verschwindet jaulend im schrecklichen Rot. Ich gerate in Panik, als mich der Strom erfasst, und suche einen letzten rettenden Halt am Holz der Parkbank, doch lange würde es nicht halten, das ahne ich bereits. Es ist laut und anstrengend, die Atmosphäre wirkt verstörend auf meine Sinne, ich habe Angst. Nacheinander knicken die stämmigen Tannen um und bringen die Erde zum Beben, Häuser zerbröckeln, Fensterscheiben zerplatzen, die Menschen kreischen der destruktiven Gewalt entgegen und sterben. Ich habe keine Kraft mehr, um mich noch länger an die Bank zu klammern, meine nassen Finger rutschen Stück für Stück weiter ab. Die nächste Flutwelle reißt mich mit und ich ströme dem dunklen tiefen Loch entgegen, das mich jede Sekunde verschlucken wird.

Dann sehe ich gleißend grelles Licht, begleitet von nutzloser Stille und einem mächtigen Druck auf den Ohren. Es sind keine Schüsse zu hören, niemand tötet, niemand stirbt. Wo bin ich hier? Ist das das Paradies oder fügt sich das bedrängende und dennoch herrliche Gefühl schon bald zu einem Abbild der Hölle zusammen?


Ich spüre, wie sich meine Lungen mit dem verdreckten Blut füllen und erreiche die Erkenntnis, dass ich nur zu träumen schien. Die grellen, bunten Lichter, die bedrängende Stille, alles fort. Der tödliche Mahlstrom hat mich in seinen Fängen und reißt mich unsanft hin und her. Stinkende Gliedmaßen schwimmen vor meinem Gesicht, ich kann in die Augen mancher Leichen sehen. Ihre Blicke sind kalt und leer, doch es scheint, als wollten sie mir etwas mitteilen, als sollte ich ihnen helfen. Ich kann nicht, mein Geist beginnt, langsam aus dem Leben zu treten und blickt von oben auf meinen bewusstlosen Körper hinab, der im strömenden Blut kaum noch zu erkennen ist. Es ist traurig, unverhofft aus dem Leben zu scheiden. Das ist auch meiner Seele bewusst, so folgt sie mir in den reißenden Strom und steht mir bei, während ich qualvoll meinem Tod in die Augen sehen muss.