Montag, 21. Mai 2012

Narcotic Dreams


Schlachthof.
Winter, Herbst, ich weiß es nicht. Einzig und allein fühle ich die eisige Kälte, die dort draußen -Dreck, Staub, Leere- ihr Unwesen treibt. Durch morsche Türblätter aus feuchtem Holz, umgeben von kahlen Betonmauern, ungepflegt und brüchig, bin ich abgeschnitten von der Außenwelt. All das hat wenig Sinn, hält die Scheißkälte nicht davon ab, zu mir vorzudringen und mich durch meine zitternden Knie in den Arsch zu ficken.
Das Vieh steht vor mir, ich starre in seine feuchten, funkelnden Augen. Es scheint ängstlich. Verunsichert und beunruhigt. Ich denke nicht weiter darüber nach, Ignoranz penetriert, Mitleid gibt es nicht. Ich hege keine Gefühle. Macht sonst auch keiner, Hauptsache, die Menschheit hungert nicht.
Der Schuss fällt, das Vieh geht zu Boden... hier!
Meine Hand ist im Besitz der Machete, die Klinge rostig, getrocknetes Blut verziert das Metall. Wie ein Laie stehe ich dort und nichts geschieht. Was von mir erwartet wird, passiert nicht.
Jetzt!
Dann, völlig unerwartet, schießen die Signale los, mein Körper beginnt, sich fortzubewegen. Die Augen des Viehs sind noch geöffnet. Meine dilettantische Handhabung mit dem Schlachtwerkzeug in meiner Rechten lässt ihn -dem Schlachtmeister persönlich, der Mann ohne Gesicht- lauthals auflachen. Egal! Ich ramme die mörderische Klinge in den Bauch des Viehs und ziehe sie bis zu seinem Hals hinauf. Ich fordere mein gesamtes Energie-Kontingent auf, das Tier von unten bis oben aufzuschlitzen. Der Lebenssaft sprudelt, fließt über meine nackten Füße, die Innereien kullern auf den Boden, es stinkt bestialisch.
Verzerrung, wacklige Beine, Dunkelheit.

Kanal.
Ich krieche durch das grün schimmernde Wasser, meinem Vordermann hinterher, kraule mich durch stinkende Algen. Bin umschlossen von einer Pipeline aus Beton, die scheinbar ins Nichts führen wird. Ich atme, das dreckige Wasser füllt meine Lungen, doch ich verspüre nichts. Keinen Schmerz, keine Not. Ich spüre keine Gefahr, während das Wasser meine Luftröhre flutet. Mit dem Gedanken, dass dieser Kanal nur eine einfache Einbildung sei, ein Traum, kämpfe ich mich weiter durch den schlammigen Grund. Es geht steil aufwärts. Kriechen, Robben, Krabbeln, all das weigert sich entschlossen, mich voranzubringen. Die Pipeline vergrößert sich im Durchmesser, Stück für Stück. Meter für Meter. Meine Finger graben sich regelrecht in den harten Beton, die Fingerkuppen bluten, dünne, schwebende Faden, bestehend aus der wichtigsten Flüssigkeit des menschlichen Körpers, durchziehen die Trübheit des Wassers und weisen mir den Weg in die vermeintliche Freiheit. Den Weg nach oben.
Die Sohlen der Stiefel meines Vordermannes verschwinden plötzlich, doch ich sehe Licht. Dort oben flackert die Wasseroberfläche, ich kann sie erkennen. Ihre klare Schönheit sieht mir entgegen, Motivation beschert meinen Verstand. Nach wenigen Metern erreiche ich das Tor, das mich nach Hause bringen wird, doch was ich letztendlich erkennen muss, setzt meinen konfusen Albtraum lediglich fort.
Seine großen Pranken umschließen die Handgelenke der Leichen, ohne Rücksicht auf die Zerbrechlichkeit dieser Knochen, zieht er die toten Körper aus dem Wasser. Was er ihnen dabei antut, scheint ihn nicht zu interessieren. Das Wasser überschlägt sich und wirft kleine wilde Strudel auf, als der Mann die Leichen gewaltsam ans Licht der Welt reißt, und sie am erdigen Boden des Ufers in den Dreck wirft. Eine erbarmungslose Entsorgung junger Leichen, auch das letzte bisschen Respekt wird ihnen endgültig verwehrt. Ich tauche auf und blicke in die teuflischen Augen der Brutalität. Haben nicht auch Tote das Recht, respektvoll behandelt zu werden?
Nein.
Meine Blicke wandern zwischen den nichtssagenden Augen der Babys und dem Mann, der sie vernichtet, hin und her. Ich erstarre, bewege mich keinen Zentimeter. Was ist los hier? Ich verstehe nichts und vertraue darauf, in einem Albtraum zu stecken, der mich noch nicht gehen lassen will. Das wäre wohl das Beste, denn ein Traum bleibt ein verdammter Traum, und irgendwann werde ich aufwachen und glücklich sein.
Fick dich, Hurensohn!
Fick dich, Traum!
Fickt euch alle!