Montag, 30. Juni 2014

Der letzte Dienst

Die Gedanken ihrer Prüfungen gehen ihnen durch die Köpfe und um sie herum ist Leere vertreten. Nichts kann ihnen auf dem Weg an den Ort, der für sie bestimmt wurde, den Pfad kreuzen und sie hindern. Es ist eine Reise, die kein Zurück bereithält. Sie offenbart keine Möglichkeit, noch einmal zurückzusehen und ein letztes Mal darüber nachzudenken. Dann tut es den ersten Schlag an diesem Morgen.
Das Gefühl, der Magen schiebe sich in den Hals und der Wind, der um die Ohren pfeift und rauscht, signalisieren den Beginn der Reise. Nacheinander kommen sie dem Tal näher. Dort unten, wo der Sand die Sträucher umgibt und die Morgenröte einen orange-grauen Schein an den Horizont legt. Wo die Tiere sich dem Geschehen nähern, um zu erbeuten und die Angekommenen ihr Unwesen treiben. Dort wartet der Preis für die Vorbereitung, die die noch Folgenden hinter sich brachten, um an diesem Erlebnis teilzuhaben. Der Klang ist dumpf, ähnlich dem Aufschlag einer schweren Eisenkugel auf einer Grasfläche. Kurz und abrupt.
Genitalien tauchen tief in die nasse Dunkelheit ein, Vaginalsekret tropft in den Sand und der Süchtige kriecht hervor, um es langsam mit der Zunge aus den feinen Körnern des Sandes aufzunehmen und zu genießen, wie die schleimige Flüssigkeit im Rachen zergeht. Der bittere Geschmack verbreitet sich im Mundraum, die Hautoberfläche erhebt sich und ein Kribblen, das bis in die Spitze seiner Eichel reicht, durchfährt seinen Körper. Er ist konzentriert, hat das Verlangen, das Kribbeln so lange wie nur möglich zu spüren. Er schließt die Augen und neigt das Gesicht gen Himmel. Dann tropft auch ihm der Saft aus dem Glans penis, keuchend zieht er sich zurück und die schmatzenden Klänge des Akts verstummen in seinen Ohren.
Wüstenstaub wirbelt umher, umhüllt das Szenario, lässt keine Blicke von außen mehr zu, bis sich die Staubwand lichtet. Hervor tritt ein Mann. Seine Blicke wandern an seinem eigenen Leib hinab, in der Hand eine Klinge. Verkrustete, blutige Rinnsale verlaufen von seinen Augen über die Wangen. Seine Lederhäute sind von roten Äderchen durchzogen und er starrt bewegungslos dem Schein der Sonne entgegen. Langsam verformen sich seine Lippen, bilden ein Lächeln, das er mit sanftem Nicken begleitet. Er wendet den Blick ab und beugt sich nach vorn. Die Klinge führt er langsam hinter sich, die Spitze kratzt sanft an der Hautoberfläche seines Hinterns und sämtliche Verspannungen verlassen seinen Körper. Nach einigen Sekunden hört er auf, sich zu streicheln, setzt die Klinge an und drückt. Behutsam schiebt er sie Zentimeter für Zentimeter nach vorn, sein Atem geht schneller. Das Pochen seines Pulses durchfährt rasant seinen Schädel, die Adern stehen hervor und verwandeln seine Stirn in eine kleine Hügellandschaft. Blut schlägt in dünnen Tropfen im Sand ein, die Klinge taucht tiefer in ihn ein und gleitet durch das dünne Gewebe des Schließmuskels, der sich langsam dehnt und unter der Schärfe der Schneide spaltet. Der Blutfluss stärkt sich, der Schmerz überwältigt. Vom Gefühl, innerlich zu verbrennen und zu zerreißen, geleitet, legt er die flache Hand auf das Ende der Klinge und drückt ein letztes Mal. Seine Stimmbänder vibrieren, er stößt ein tiefes Grunzen aus und schmeckt, wie sich die Galle die Speiseröhre hinaufbefördert. Ihm wird warm, dunkle Punkte blitzen vor seinen Augen auf und das letzte Stück der Klinge versinkt in seinem Körper, bevor das Erbrochene vor ihm in den Sand plätschert.
Ein neuer Mann ist auf dem Weg. Sein Körper wirft mit Endorphinen um sich, als er seine Mitanhänger hinter der Ziellinie sieht. Kleine Männer, Kinder und Frauen. Menschen, die mit jeder vergehenden Sekunde größer werden. Näher kommen. Die grauen Zellen und Brocken des Schädels spritzen und bleiben am Körper einer alten Dame kleben. Mit ihrer Zunge schiebt sie die schwarzen Haare aus dem Weg, bis sie mit der Haut in Kontakt kommt. Sie umkreist die Darmöffnung und atmet tief ein. Der Geruch des Kadavers setzt sich in ihr fest, dann führt sie ihre Hände über den Bauch zwischen ihre Beine. Sie drückt das Gesicht fest in das Fell, taucht mit ihren Fingern in sich ein. Langsam und mit stetigem Druck dringt sie mit der Zunge in das Innere des Tieres vor und schließt die Augen. Ihr gegenüber sitzt eine junge Frau. Ihre Beine sind gespreizt und die Vagina nahe am Kopf des Tieres. Sie fährt mit dem Zeigefinger über die Halswunde, aus der das Blut pulsierend herausläuft, und flüstert, ,,Miau. Miau.ˮ Mit der anderen Hand zieht sie die kleine Zunge zwischen den Zähnen hervor. Sie stöhnt und zuckt, als sie den rauen Muskel über ihre Klitoris reibt. Der Sand wird feucht und wieder kriecht der Süchtige aus seinem Loch, um die bittere Flüssigkeit zu erbeuten.
Er legt den Kopf auf die Schulter seines letzten Schützlings und küsst die Träne, die ihm über die Wange kullert.
,,Schauˮ, sagt er mit leisem Ton und beide neigen den Blick nach unten.
,,Dort unten wartet eine Überraschung auf dich, mein Sohn.ˮ
Während er die Hose des Jungen an den blutverschmierten Beinen nach oben zieht und schließt, sehen sie sich tief in die Augen.
,,Der Herr wird dir vergeben.ˮ
Ein letzter Kuss, dann ein leichter Stoß. Die Erinnerungen seines jungen Lebens ziehen in verzerrten Bildern an ihm vorbei. So schnell, dass er nicht an ihnen festhalten kann. Ihm bleibt keine Zeit mehr, zu lächeln. Keine Zeit mehr, um seinem Schmerz freien Lauf zu lassen. Die Bilder werden heller, weißes Licht dringt in sein Auge. Ein dumpfer Klang, bevor die Dunkelheit auf der anderen Seite die Führung übernimmt.
Der Mann am oberen Ende des Weges in die Erlösung, zuckt zusammen, als er das Blut des Jungen über den Sand spritzen sieht und hört, wie seine Knochen zerbersten.
,,Der Herr wird euch vergeben.ˮ
Er spuckt in seine rechte Hand und massiert den Speichel in seinen erschlafften Penis ein. Einen Moment lang sieht er in den Himmel. Die Hitze legt sich über sein Gesicht. Dann tritt er zwei Schritte zurück und verbeugt sich, wie ein Künstler vor einem applaudierendem Publikum.
,,Amenˮ, sagt er und macht den einen Schritt, der ihn für immer in die Freiheit entlässt.