Während sie sich dort die Köpfe mit
Blei und Stahl an Stelle von Vernunft vollpumpen und Kamerateams aus
allerlei Ecken des Erdballs das Gehirn auf dem Weg nach draußen
begleiten, gehen hier Sozialfähigkeit und Sprachkenntnisse zwischen
Hurensohn und einem Haufen gefickter Mütter unter.
Beim Sprechen wird eingespart, Sätze
gibt es nicht, die mageren Vokabulare fallen dem Häcksler der
technischen Kommunikationsmittel zum Opfer. Was man will, nimmt man
sich. Wen man nicht mag, erschießt man. Geld gibt es genug,
eigentlich für alle, doch verlaufen sich die Scheine immer wieder in
den Gängen hoher, gläserner Gebäude und finden sich in den Taschen
alter Fettsäcke wieder, deren haarigen Ärsche sich in das knarzende
Leder des Chefsessels quetschen.
Kotze.
Pisse.
Scheiße.
Zu
anderen Gedanken ist der matschige Klumpen in meinem Schädel nicht
mehr fähig, als ich aus dem Fenster blicke. Ich sehe zugedröhnte
Teenieschlampen, deren Ärsche unter den Hotpants hervorquillen, auf
ihren knochigen Beinen über den Gehweg torkeln. Top gestylte Bad
Boys, die ihren triefenden
Schwänzen hinterher laufen, denn in den heutigen Zeiten sagen diese,
wo es langgeht. In den Tiefen der feuchten Dunkelheit lassen sie die
Wichse ihren Job machen, um im Nachhinein den Befehl auszusprechen,
das Ding abzutreiben.
Meine Nachbarn
stehen wie auch ich, mit den Ellbogen auf der Fensterbank abgestützt,
am offenen Fenster und sehen auf das Unheil hinab. Die meisten von
ihnen rauchen eine Zigarette, manche nippen hin und wieder an ihrem
Bier und stoßen einen hallenden Rülpser aus. Plötzlich füllt ein
Kreischen die Straße, alle sehen sich um. Einen Augenblick später
stürmt ein kleines Mädchen um die Ecke und kreischt und heult. Ruft
nach Hilfe. Es ruft laut und seine Stimme droht, zu versagen. Alle
sehen sie an. Alle sehen ihr Blumenkleid, ihre weißen Ballerinas und
den Zopf, der in ihrem Nacken hin und her schwingt. Ein älterer Mann
ist ihr auf den Fersen. Er joggt ihr gemütlich hinterher. Das
Mädchen rennt. Es ruft nach Hilfe. Wieder und wieder und wieder und
wieder. Nach und nach wenden sich die Menschen dem Inneren ihrer
Räumlichkeiten wieder zu. Schmeißen die Kippen aus dem Fenster,
schließen es. Immer mehr Lichter erlischen. Eins nach dem anderen.
Keinen kümmert die Außenwelt, niemanden das Mädchen. Als das
letzte Licht ausgeht, drehe auch ich mich um. Ich wende den Blick ab,
denn ich möchte nicht auffallen. Das Kreischen wird lauter, endet in
einem Röcheln, das wenige Sekunden später ganz verstummt. Ein Mann
beginnt, zu stöhnen. Ich schließe das Fenster, verschwende einen
letzten Gedanken daran, dass es der alte Wichser dort draußen ist,
der seinen Schwanz in die abkühlende jungfräuliche Kinderfotze
schiebt, und schalte den Fernseher ein.
Herr im Himmel,
denke ich und bitte genau diesen im selben Augenblick, mich am Arsch
zu lecken. Eine alles verschlingende Flut rauscht in das Wohnzimmer,
als der Flimmerkasten anspringt und seine Bilder auf mich wirft. Sie
plätschert und kracht, schlägt gegen die Wände, meine Finger
krallen sich in das Sofa, um der Welle die Chance zu entledigen, mich
mit in ihren Strom zu reißen. Zu verschlingen, zu unterdrücken und
mich in Stücke zu reißen. Violette Geldscheine, Silikonimplantate,
Subkutanspritzen und Tampons, an denen Blut und Fettsäuren
hinuntertriefen. Glänzende Felgen, laute Motoren, Lederoveralls und
Pilotenbrillen.
Die Schreie
verlorener Seelen dringen in meine Ohren, die schrillen Laute
prasseln gegen meine Trommelfelle. Gefangen auf den Motherboards der
hochevolutionären Technologie schwirren sie umher, suchen einen
Ausgang, während Applikationsarmeen sekündlich die Auswege zu
versperren scheinen.
Langsam greife ich
nach der Fernbedienung, mein Zeigefinger nähert sich dem roten
Symbol, das den einzigen Ausweg aus diesem Sturm darstellt. Die
Nervenenden an meinem Finger registrieren das Gummi des Knopfes, eine
letzte Bewegung, wenige Millimeter abwärts. Die Flut reißt stärker
an meinem Leib, meine Haut droht, zu zerreißen, der ziehende Schmerz
läutet sämtliche Alarmglocken und das Grauen fährt zu einem dünnen
Schlitz zusammen, bevor es gänzlich hinter dem Schwarz des
Bildschirms verschwindet.
Mein Herz pocht,
der Puls rast, ich spüre Kopfschmerzen. Ich starre den roten Punkt
in der unteren Ecke des Fernsehers an. Er ist das einzige Licht im
dunken Zimmer. Die Freakshow ist abgeschaltet, der rote Punkt ist
Sicherheit. Der rote Punkt wird mich nicht im Stich lassen. Mein Atem
ist schwer und schnell, Schweißperlen kullern über mein Gesicht.
Ich lege die Fernbedienung weg, denn der rote Punkt ist mein Freund.
Mein Gefährte. Mein Retter. Er ist Sicherheit.