Der
Regen küsst meine Lippen. Ist dies der letzte Abschiedskuss? Der
letzte Kuss, bevor mich das Dunkel mit in die Ungewissheit nimmt,
fühlt sich kalt an. Ohne Liebe. Liebe, die ich seit der Zeit, die
meine Welt ergrauen ließ, vergebens suche. Die ich dachte, jetzt
gefunden zu haben und doch nicht greifen kann. Fühle ich nach ihr,
löst sie sich in ein Nichts auf, wie die Tropfen, die zergehen, wenn
ich versuche, den Kuss des Regens zu erwidern. Da ist kein Halt und
keine Sicherheit.
Es
donnert. Meine Muskeln krampfen, ich habe Angst. Weitere Schritte zu
bewältigen, durch den Sumpf, der die Zeit verlangsamt, fürchte ich.
Er gibt mir das Gefühl, nicht voranzukommen. Schritte nach vorn sind
es, die meine Reise beenden sollten, doch ich trete auf der Stelle.
Meine Fußstapfen sind tief, aber einsam. Aus ihnen winkt mein Ziel,
während ich die Hand ins Leere strecke und mit der Sehnsucht die
erste Träne fließt. Lange kann ich nicht spüren, wie sie an meiner
Wange nach unten rinnt, denn mit dem Regen treibt sie davon und so
wird nicht einmal mehr die Trauer greifbar. Mein Blick verschwommen,
unklar, wohin ich gehen kann. Auf der Suche nach einem Ausweg aus der
Hülle, die nicht meine ist, ist das alles keine Hilfe. Die
Dunkelheit und Kälte, der Wind, der sie in meine Augen weht,
erschaffen ein neues Labyrinth im Bestehenden. In einem Irrgarten aus
gegen Zweifel kämpfender Nichternsthaftigkeit, gehe ich durch einen
Grund aus Schlamm und Asphalt. Auf einer Strecke, die keine Wahl
lässt über schnell oder langsam. Stehe ich dann vor einer Tür,
hinter der sich ein Weg hier raus befinden könnte, stellt sich doch
nur die Frage zum wiederholten Male: lohnt es sich?
Lohnt
es sich, anzuklopfen? Wartet hinter dieser Tür die Antwort auf die
Frage, was ich verdient habe? Oder ist es doch nur ein weiterer Gang
ohne Ausweg? Ich wünsche mir, die Sonne wiederzusehen.
>>Bitte
lass mich die Sonne wiedersehen<<, sage ich, ohne zu wissen,
wer mich hören soll.
Ich
klopfe an die Tür. Die Kraft schwindet aus meinen Beinen, als das
Leben öffnet und einen Gang offenbart, dessen Ende im Schwarz des
Horizonts liegt. Klopf klopf. Wer ist da? Keine Antwort. Ich weiß es
nicht.
>>Geht
es Ihnen gut?<<
Ich
richte meinen Blick zur Seite. Eine Frau und ein Mann stehen dort
und schützen sich mit einem Regenschirm vor dem Regen. Ihre Blicke
wirken wartend. Wartend darauf, dass ich antworte.
>>Ja<<,
antworte ich und lächle.
Die
Frau rollt mit den Augen, zuckt mit den Schultern. Der Mann schüttelt
leicht den Kopf.
>>Gehen
wir, Schatz.<<
Sie
gehen und mit jedem ihrer Schritte schwindet die Spannung aus meinen
Lippen, die das Lächeln formte. Hand in Hand gehen sie durch die
Wand aus dicken Regentropfen und küssen sich, bevor ihre Silhouetten
ganz verschwinden. Das Verlangen, nach ihnen zu greifen, steigt in
mir auf. Ich schließe die Augen, greife nach vorn, doch bekomme
nichts zu fassen und schreie. Meine Trommelfelle beben und als ich
die Augen wieder öffne, bin ich zurück. Schlamm und Asphalt. Türen.
Zweifel. Liebe ist nichts für mich.
Ich
bin fertig damit, die fröhliche Fassade meines Lebens vor dem
Bröckeln zu bewahren, fühle mich müde. Ich lockere den Griff nach
Liebe, lasse die Zweifel gewinnen und versuche zu entspannen. Die
Dunkelheit ummantelt mein Herz, ich atme langsam. Nach ein paar
letzten Schritten, falle ich auf die Knie und starre in die Pfütze
auf dem Boden. Das Gesicht im Wasser blickt mir in die Augen und so
verharren wir. Erste Sekunde. Zweite Sekunde. Dritte. Vierte.
>>Lass
mich sterben<<, sagt das Gesicht.
Sechste
Sekunde. Siebte.
Ich
denke darüber nach. Neunte Sekunde. Dann nicke ich. Zehnte. Wir sind
uns einig.
>>Lass
uns sterben<<, sage ich.
Es
donnert. Meine Muskeln krampfen, ich habe Angst.
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